Norbert Jäger SCULPTURES

Architectural Art - Monuments - Sculptures - Miniatures

Vom Stein zur Gestalt
Zu den Installationen von Norbert Jäger
Von Volker Probst, Direktor Ernst Barlach Museen Güstrow
Der Bildhauer Norbert Jäger arbeitet in unterschiedlichen Materialien: Holz, Stein – Marmor und Granit sind seine bevorzugten Werkstoffe. Seine Installationen „Communicare – ArchiSkulpturen und NaturRäume“ sind ein komplexes Gesamtkunstwerk. Bei Jägers Bearbeitung der Findlinge bildet die Oberflächengestaltung der figurativen Form immer einen Gegensatz zum Material: entweder ist die Figur poliert und der Stein roh in unterschiedlichen Graden bearbeitet oder umgekehrt. Figuren wachsen aus dem Stein heraus, sie erscheinen gewissermaßen wie Schatten im Stein, ein künstlerischer Gestaltungsansatz, den wir schon bei Michelangelo finden (Sklaven-Figuren). Im 20. Jh. haben Auguste Rodin und seine tragisch endende Schülerin und Geliebte Camille Claudel dieses Gestaltungsprinzip neben dem Torso als vollendetes Werk in die Bildhauerei eingeführt. Die Dinge unserer Sinneswahrnehmung existieren in der Welt der Ideen als Ur- und Vorbilder. In der weitgehenden Abwesenheit der menschlichen Gestalt und ihrem Bezug zur Natur, ein Hauptthema Jägers, wird der Lebenslauf zu einem Gleichnis, unabhängig von Religion oder Weltanschauung. Norbert Jägers Kunst ist keine laute, aufdringliche Kunst. Hierin unterscheidet sie sich gravierend von manchen flüchtigen Erscheinungen des zeitgenössischen Kunstbetriebs und des Feuilletons, die auf dem „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ (William Thackeray) auf sich aufmerksam machen wollen. Was uns in Jägers Werk begegnet ist das Ursprüngliche im Material und das Archaische in der Form. Beides verweist uns zurück auf uns selbst und auf die Fragen: Was bedeutet Leben? Welche Beziehung haben wir zur Natur, zu unserer Umwelt, zu anderen Menschen? Obwohl Jägers Steine, Steinsetzungen und Installationen keine Meditationssteine sind oder sein wollen, so bieten seine Werke dennoch die Möglichkeit der Kontemplation, d. h. der Versenkung, eben das zeitweise Heraustreten aus dem profanen Alltag. Wenn wir uns öffnen für die Kunst Norbert Jägers, so gelangen wir hinein in einen Raum des heiteren Schweigens, denn was „in der Zukunft ... nötiger sein wird als je, ist, daß der einzelne Mensch einen Raum um sich schafft, der ihn von der äußeren Welt isoliert: einen Raum der Stille, der Ruhe, des Friedens, der Liebe, der Erinnerung.“ (Erwin Chargaff, Kritik der Zukunft).

„Das Verdorbene und das Schöne“
von Dorothee Baer-Bogenschütz, Kunstzeitung
Nicht von ungefähr ist Jägers bevorzugtes Material Stein. Ihm attestiert Norbert Jäger „am meisten Innenleben und Charakter“. Folgerichtig lässt er sich die Maße und den Charakter seiner Skulpturen häufig vom Stein und dessen Anmut diktieren, zumindest aber nahe legen. Bisweilen klingt im rohen Material die künstlerisch gültige Form bereits an, und Jägers Eingriffe sind minimal. Wie Michelangelo oder Henry Moore sucht er in den Marmorbrüchen von Carrara diejenigen Quader eigenhändig aus, die seinen bildnerischen Absichten entsprechen. Die überlieferten Gattungen rundplastischer Praxis sind für ihn als Transmitter wesentlich. Stele, Torso, Paardarstellungen und Einzelfiguren arbeitet Norbert Jäger in der Absicht, dass „sich der Betrachter berührt fühlt“.
Aus historischer Kontinuität heraus entwickelt er seinen produktionstechnischen Ansatz, doch der gesellschaftlichen Realität widmet er seine Inhalte. Mit Blick auf die antike Mythologie und ihre einleuchtenden Geschichten, die die Funktion eines Spiegels der Wirklichkeit wahrnahmen, strebt Norbert Jäger bei seinen Figuren ebenfalls Beredsamkeit an.
Dabei möchte der Steinbildhauer „nicht nur das Verdorbene der Gesellschaft,
sondern auch das Schöne“ akzentuieren. Was freilich nicht bedeutet, dass er die Dissonanzen des Denkens im 21. Jahrhundert ausspart.
Mit der bewussten Zusammenführung des Heterogenen reflektiert Jäger seine Sicht der ideologisch gespaltenen und nach einer neuen Mitte suchenden Welt. Sein Anspruch ist kein geringerer als die sparten- und grenzübergreifende Kulturkritik. Dabei erlaubt er sich bei aller archaischen Schlichtheit mitunter verhaltenes Pathos. Individuelles Empfinden und soziophysische Strömungen bestimmen seinen existenziell ausgerichteten Skulpturbegriff und seine bildhauerische Phantasie ebenso wie die bildnerischen Wirkungsformen der abendländlichen Überlieferungen.
Jägers Bildhauerkunst, ihre Denk- und Anschauungsmuster, sind so traditionsbewusst wie tagesaktuell.


„Norbert Jäger, der Bildhauer“
von Petra Bach, Kulturmanagerin
Im modernen Zeitalter der virtuellen Künstlichkeit, des Internets, der Gentechnik  ist Norbert Jägers häufig verwertetes Material Stein vorzugsweise Marmor. Stein, ist für ihn das Urbild der uniformen grauen Masse aus toter Materie. Im Stein ist die ganze Grammatik der Schöpfung aufbewahrt, die Entstehung des Lebens. Steine sind weder ewig noch unveränderlich. Sie sind vollständig prozesshaft wie alles andere, wie Pflanzen, Tiere und wie wir selbst, nur feiner und sehr viel langsamer. In seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Stein ist er auf Ästhetik bedacht, aber nicht um das Schöne zu verkörpern, sondern weil sich die Ästhetik im Stein selbst verbirgt. Jägers selbst gewählten Steine haben ein eigenes Innenleben, einen eigenen Charakter, eigene Strukturen und Farbgebungen, Adern und Schliere. Er formt den Stein, er zerstört nicht.  Trotz Widersprüche und Kontraste erhält der Künstler in seinen Skulpturen die ursprüngliche Form des Steins -  nach und nach kristallisiert sich der Charakter des Steins heraus. Das Erkennen und Verstehen, der Umgang mit dem noch Unerkannten ist ihm wichtig. Nicht nur sein Arbeitsmaterial, der Stein und sein Umgang damit, stellt einen Gegenpol zum jetzigen Zeitgeist dar, sondern auch seine Inhalte,  sein künstlerisches Denken sowie seine Lebenseinstellung.